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Die Bedeutung der Darmgesundheit in der Schweineproduktion

Was steckt hinter dem Konzept der „Darmgesundheit”, das heute in aller Munde ist? Warum ist es von Wichtigkeit?

Um ehrlich zu sein, gibt es keine klare Antwort auf diese Fragen. Tatsächlich kommt es darauf an, wen man fragt. Fragt man einen Schweineproduzenten, dann wird er eine „hohe Produktivität” damit in Verbindung bringen, während ein Tierarzt die Darmgesundheit als „Abwesenheit von Erkrankungen” definieren wird, und ein Ernährungsfachmann vielleicht von „guter Nährstoffresorption” reden wird. Wer hat recht? Alle.

Die heutige Schweineproduktion zeichnet sich dadurch aus, extrem intensiv zu sein. Der Nutzen dieser intensiven Schweinehaltung steht in engem Zusammenhang mit den superfruchtbaren Sauen, die von Jahr zu Jahr immer mehr (allerdings auch immer kleinere) Ferkel zur Welt bringen. Hinzu kommen eine hoch selektive Genetik, extrem schwankungsanfällige Preise für Futterausgangsmaterialien sowie Schweinepreise, die - sagen wir es einmal so - instabil sind. Was auf jeden Fall sicher ist, ist die Tatsache, dass in der aktuellen Schweineproduktion nur jene Geld verdienen, die ein hervorragendes Kostenmanagement betreiben, d.h., die es trotz allem immer wieder schaffen, die Kosten möglichst gering zu halten und eine optimale Produktivität aufrechtzuerhalten. Und genau das ist der Punkt, an dem das Konzept der Darmgesundheit ins Spiel kommt.

Gerade in einer der kritischsten Lebensphasen des Schweines, nämlich der frühen Absetzphase der Ferkel, sollten wir uns Gedanken über die Darmgesundheit machen. Im Allgemeinen werden die Ferkel in unseren Betrieben viel früher abgesetzt (zwischen 21. und 28. Lebenstag), als dies in einer natürlichen Umgebung der Fall wäre (laut Jensen und Recén, 1989, um die 17. Lebenswoche). Zu diesem Zeitpunkt durchleben die Ferkel tiefgreifende Veränderungen in Ernährung und Umwelt sowie komplexe soziale Umstellungen, da sie von einem Tag auf den anderen von der Mutter und ihren Wurfgeschwistern getrennt werden. Dies alles bedeutet für die Ferkel großen Stress, der im wohl ungeeignetsten Moment Hyporexie oder Anorexie auslöst. In dieser Phase sind Verdauungssystem, Immunsystem und die Fähigkeit zur Thermoregulierung noch nicht voll ausgebildet. Zudem ist die Mikrobiota der Ferkel noch instabil, sodass die Tiere Angriffen durch opportunistische Pathogene nichts entgegensetzen können und ihre Produktivität stark beeinträchtigt sein kann. Dieser Prozess ist als Post-weaning Syndrom oder Absetzsyndrom bekannt, Weitere Informationen dazu finden Sie in den hervorragenden Übersichtsarbeiten von Pluske et al., 1997, Lallès et al., 2007, Heo et al., 2013, oder im angefügten Video.

Bislang ist unsere Industrie mit dieser problematischen Situation so umgegangen, dass man antibiotische Leistungsförderer oder Mineralstoffe in überdosierten Mengen (Zinkoxid [ZnO] in therapeutischen Dosen) dem Futter beigemengt hat. Allerdings ist es mittlerweile hinlänglich bekannt, dass der Einsatz von Antibiotika als Wachstumsförderer bereits vor einigen Jahren in Europa verboten bzw. eingeschränkt wurde (Verordnung (EG) Nr 1831/2003). Zudem wächst derzeit aufgrund der bedenklichen Folgen für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt weltweit der Druck auf die Schweineproduzenten, die therapeutischen Dosen zu reduzieren, und zwar nicht nur für Antibiotika (WHO, 2017), sondern auch für ZnO (CVMP, 2016). Tatsächlich lautet die wörtliche Forderung von Regierungen und wichtigen internationalen Agenturen, derlei Substanzen in ihrem Einsatz zu „REDUZIEREN, zu ERSETZEN und zu ÜBERDENKEN”.

Vor diesem Hintergrund wird auch klar, worin die Bedeutung der Darmgesundheit besteht. Auf der einen Seite steht die Schweineindustrie vor der Herausforderung, hochqualitatives und leistbares Schweinefleisch zu produzieren, während andererseits die Futterkosten mehr als zwei Drittel der gesamten Produktionskosten ausmachen (Patience, 2012). Damit werden Futtereffizienz und Futterverwertung zu entscheidenden Faktoren für das Überleben der Schweineproduzenten. Wir müssen den Verdauungstrakt unserer Tiere daher nicht nur als biologische Funktionseinheit betrachten, sondern vor allem als jenen wichtigen Ort, an dem die Nährstoffe resorbiert werden. Hinzu kommt, dass der Darm eines der wichtigsten Organe für die Immunantwort der Tiere ist, da er die erste Verteidigungslinie des Organismus gegen aus der Umwelt eindringende Krankheitserreger darstellt.

Dennoch sollten wir mit Vorsicht an dieses Thema herangehen, denn die Darmgesundheit ist ein Gebiet mit Licht und Schatten. Die Aktivierung des intestinalen Immunsystems (mit mehr als 70 % der Immunzellen des Körpers) bedeutet auch einen direkten Kosteneintrag hinsichtlich der Energie und kann sich deshalb direkt auf die Produktionseffizienz auswirken (Willing et al., 2012). Dennoch können wir nur dann schnell wachsende Schweine produzieren, wenn der Darm gesund ist und wenn wir die Tiere vor Erkrankungen bewahren. Das bedeutet auch, dass die aufgenommenen Nährstoffe effizient verwertet werden müssen, damit sie Energie und Wachstum erzeugen und im Endeffekt auch Gewinn für den Betrieb generieren.

Die Schweineindustrie unterliegt heutzutage einem unglaublichen Druck vonseiten der Gesetzgebung, der Umweltbehörden, der Wirtschaft, den Institutionen der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Meinung. Ist die Thematik der Darmgesundheit ein weiteres Druckmittel, das auf unsere Industrie ausgeübt wird und mit dem wir uns befassen müssen? Nein, tatsächlich ist es eher so, dass das Konzept der Darmgesundheit eine Strategie sein kann, die uns allen hilft. Darmgesundheit ist damit sozusagen ein „Werkzeug” der Schweineproduktion, allerdings ein nicht leicht zu handhabendes. Die Herausforderung besteht darin, Strategien und Produkte zu finden, die es ermöglichen, uns in diesem „grünen” Bereich des Gleichgewichts zwischen Gesundheit und Krankheit, zwischen Kosten und Nutzen, gut zu positionieren. In den folgenden Artikeln werden wir uns näher damit beschäftigen, wie dies möglich werden kann.

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